Was macht eine Straßenzeitung aus?

Was macht eine Straßenzeitung aus?

Ihre Wurzeln hat die Idee in Amerika: Obdachlose Menschen produzieren eine Zeitung und verkaufen sie auf der Straße, um sich auf diese Weise ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie verkaufen also ihr eigenes Blatt in der Umgebung, die ihr Zuhause ist. Irgendwann ist die Idee auch in Deutschland angekommen. Inzwischen gibt es zahlreiche Straßenzeitungen mit unterschiedlichen Konzepten. Doch was macht eine Straßenzeitung aus?

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Was macht eine Straßenzeitung aus

Verschiedene Ansätze

Alle Straßenzeitungen haben gemeinsam, dass sie auf der Straße von Menschen in sozialen Schwierigkeiten, überwiegend obdachlosen Personen, verkauft werden. Einige Blätter binden dabei die Verkäufer in alle Produktionsschritte ein, während andere Zeitungen professionell hergestellt und von den Verkäufern tatsächlich nur verkauft werden.

Seit Bestehen der Straßenzeitungen debattieren die Macher darüber, welches Konzept besser ist. Sollen Journalisten und Layouter die Verkäufer anleiten, damit diese ihre Zeitung auch selbst herstellen?

Ist die eigentliche Idee einer Straßenzeitung nicht schon dadurch erfüllt, dass die Verkäufer das Blatt auf der Straße verkaufen, während Profis dafür sorgen, dass ein hochwertiges Produkt auf den Markt kommt? Können sich die Verkäufer überhaupt mit einem professionell gemachten Blatt identifizieren oder wird die Zeitung damit zu einer Ware, die durch jeden anderen Artikel ausgetauscht werden könnte?

Solche Fragen hat sich jede Straßenzeitung in Deutschland gestellt, für sich Antworten darauf gefunden und ihr Konzept entsprechend ausgelegt.

Man kann die Frage aber auch anders stellen: Ist das Hauptanliegen für jemanden, der auf der Straße lebt, mit einem Team aus Journalisten, Redakteuren, Layoutern und Druckern eine Zeitung zu machen? Oder steht für ihn im Vordergrund, dass er etwas Geld verdienen und sich dadurch neue Perspektiven eröffnen kann?

So oder so sind es die Verkäufer, die bei einer Straßenzeitung klar die Hauptrolle spielen. Das kann zwar mitunter zulasten einer hohen Auflage gehen, steht einem guten und seriösen Journalismus aber keinesfalls im Wege.

Eine Straßenzeitung möchte eine Lobby für Bürger in sozialen Schwierigkeiten sein, berichtet über soziale Themen, weist auf gesellschaftliche Zusammenhänge hin und hat dabei immer die menschliche Seite der Welt im Blick. Diesen Anspruch sollte sie auch im Umgang mit ihren Mitarbeitern und Verkäufern umsetzen, und das unabhängig vom Konzept.

Kostengünstige Auflage

Für eine Straßenzeitung gelten grundsätzlich die gleichen Marktregeln wie für jede andere Zeitung auch. Sie muss ebenfalls erst einmal verkauft werden. Allerdings liegen die Prioritäten etwas anders.

Weil die Verkäufer im Vordergrund stehen, müssen die Kosten so gering wie möglich gehalten werden, damit die Einnahmen in erster Linie den Verkäufern zugutekommen.

Aus diesem Grund haben die Straßenzeitungen oft nur ein sehr kleines Redaktionsteam fest angestellt, das die Themen festlegt und sich um die Blattkonzeption, die Redaktion der Texte, die Auswahl der Bilder und das Layout der Seiten kümmert.

Unterstützt wird das Team mitunter durch freie Mitarbeiter. Gleichzeitig sparen die Straßenmagazine Kosten ein, indem sie zum Beispiel auf teure Agenturfotos verzichten.

Straßenzeitungen können also oft nicht alle die professionellen Mittel ausschöpfen, die etablierten Tageszeitungen zur Verfügung stehen. Die Qualität des Journalismus soll und darf darunter aber nicht leiden. Auch Anzeigenkunden können zum Beispiel meist keine größeren und damit teureren Anzeigen schalten, wenn die Plätze, die für Werbung vorgesehen sind, bereits ausgebucht sind.

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Denn aus Kostengründen ist der Umfang einer Straßenzeitung in aller Regel ebenfalls auf eine bestimmte Seitenanzahl festgelegt. Die begrenzte Seitenzahl bringt den positiven Nebeneffekt mit sich, dass die Verkäufer keine großen Gewichte durch die Gegend schleppen müssen.

Generell achten die Macher der Straßenzeitungen darauf, keine unnötigen Kosten zu verursachen. So geben sie üblicherweise nur so viele Beiträge in Auftrag, wie für eine Ausgabe erforderlich sind.

Außerdem werden nur so viele Zeitungen gedruckt, wie erfahrungsgemäß verkauft werden. Das spart einerseits Kosten und hilft andererseits dabei, die Auflage stabil zu halten.

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Hoher Qualitätsanspruch

Verkäufer, die Sozialleistungen wie Bürgergeld beziehen, dürfen nur eine bestimmte Anzahl an Exemplaren verkaufen. Für die Auflage ist das zwar ein Nachteil. Aber die Verkäufer laufen nicht Gefahr, dass ihr Nebenverdienst auf die Sozialleistungen angerechnet werden muss.

Im Unterschied zur Auflage ist die Qualität der Straßenzeitung enorm wichtig. Denn sie spielt für das Selbstwertgefühl der Verkäufer eine entscheidende Rolle. Teil einer erfolgreichen Sache zu sein, gibt der Arbeit und dem Engagement einen Sinn.

Die Verkäufer bieten eine Zeitung an, für die eine Nachfrage besteht. Passanten kaufen Straßenzeitungen keineswegs nur aus Mitleid. Wenn die Qualität stimmt, werden die Beiträge auch gelesen.

Genau das ist der Knackpunkt. Denn um die Gesellschaft für Tabuthemen wie Armut und Obdachlosigkeit zu sensibilisieren, müssen die Themen angesprochen werden. Straßenzeitungen möchten ihren Beitrag dazu leisten, dass eine Auseinandersetzung damit stattfindet.

Gleichzeitig führt eine gute Zeitung dazu, dass Leser sie regelmäßig kaufen und lesen. Damit bleibt die Auflage stabil und die Geschichte kann weitergehen.

Stigmatisierung vs. Chance

Sozialpädagogen und -wissenschaftler sehen durch den Verkauf von Straßenzeitungen die Gefahr einer Stigmatisierung. Schließlich outet sich jemand, der als Obdachloser Zeitungen auf der Straße verkauft, für alle offensichtlich als bedürftig und arm.

Aber ist es wirklich der Verkauf, der brandmarkt, oder nicht vielmehr die Gesellschaft? Ist einem Menschen, der obdachlos, arm oder sonst wie „anders“ ist, wirklich mehr damit geholfen, wenn er im Verborgenen bleibt?

Am Ende kommt es immer auch auf die Perspektive an. Spielen beim Verkauf von Straßenzeitungen die Armut und damit in gewisser Weise das Scheitern oder Abrutschen eines Menschen die entscheidende Rolle? Oder zählt nicht vielmehr, dass dieser Mensch durch seine Leistung versucht, wieder Fuß zu fassen?

Straßenzeitungen zu verkaufen, ist keine Variante von Betteln. Es ist eine Form von Arbeit.

Natürlich gibt es Menschen, die so weit abgerutscht sind, dass sie nicht mehr leistungsfähig sind. Für sie möchten die Straßenzeitungen um Verständnis werben. Anderen geben die Blätter eine Chance, aus eigener Kraft etwas zu bewegen.

Es geht darum, denjenigen wieder eine Perspektive aufzuzeigen, die die Gesellschaft in Sachen Arbeit schon längst aufgegeben hat.

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Hier schreiben Wolfgang Stocker, freier Journalist, Sabine Lankmann, - Inhaberin Medienagentur, Heiko Rieder, 44 Jahre - Journalist und Christian Gülcan - Inhaber Artdefects Media Verlag (2009 Presseausweis/ DJV) und Ferya Gülcan - Inhaberin Onlinemedien-Agentur. Wir möchten Wissenswertes über die Pressearbeit und Journalismus vermitteln, sowie einen Überblick über die Medienlandschaft in Deutschland geben.

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