Was gehört alles zur Recherche? 2. Teil
Beiträge zu schreiben, macht nur einen kleinen Teil der Arbeit eines Journalisten aus. Der weit größere Teil besteht in der Recherche. Schließlich kann der Journalist nur dann Informationen, Daten und Angaben zu einem Thema für die Leser aufbereiten, wenn sie ihm überhaupt vorliegen und überprüft sind.
Doch was gehört eigentlich alles zur Recherche? In einer Beitragsreihe gehen wir dieser Frage näher auf den Grund.
Dabei haben wir uns im 1. Teil mögliche Quellen für Informationen und die verschiedenen Formen der Recherche angeschaut. Außerdem haben wir aufgezeigt, welche Anforderungen Informationen erfüllen müssen.
Jetzt, im 2. Teil, kümmern wir uns um das Handwerkszeug, das der Journalist für die Recherche braucht:
Inhalt
Nachschlagewerke
Als Ausgangspunkt für die Recherche leisten Nachschlagewerke gute Dienste.
Dabei kann es sich zum Beispiel handeln um:
- Lexika
- Almanache und Atlanten
- Fachbücher
- Gesetzesbücher, Verfassungen, Gemeindeordnungen und Satzungen
- Statistische Jahrbücher
- Biografien
- Zitatsammlungen
Viele solcher Werke gibt es in öffentlichen Bibliotheken. Daneben haben Zeitungen, Universitäten und auch Gemeinden oft Archive, in denen der Journalist recherchieren kann.
Telefon
Das Telefon ist ein unverzichtbares Arbeitsinstrument für den Journalisten. Es kommt regelmäßig vor, dass er Gott und die Welt anrufen und sich vom Sekretariat über den Pressesprecher bis zum Abteilungsleiter oder Referenten und wieder zurück verbinden lassen muss.
Auch wenn das viel Zeit und Geduld kosten kann, ist wichtig, dass der Journalist immer freundlich bleibt und nicht aufgibt, bis er sein Ziel erreicht hat.
Bei Behörden und in vielen Unternehmen darf nur die Pressestelle Auskunft geben. Sie leitet den Journalisten dann eventuell zu einem Ansprechpartner im Hause weiter.
Möchte der Journalist eher Brisantes überprüfen und befürchtet er, die Pressestelle könnte blockieren, kann er versuchen, die jeweilige Abteilung direkt zu erreichen.
Das aber voraus, dass er weiß, wer für den Sachverhalt zuständig ist.
Internet
Es dürfte kein Thema geben, zu dem sich im Internet nicht irgendwelche Informationen finden. Viele Daten und Angaben können sehr nützlich sein und den Journalisten auf den richtigen Weg führen.
Aber genauso viele Informationen, die im Netz die Runde machen, sind unglaubwürdig, zweifelhaft, stark interessengeleitet oder einfach falsch.
Bei seiner Recherche im Internet muss sich der Journalist deshalb immer fragen, inwieweit er den Quellen vertrauen kann. Private Internetseiten oder Beiträge in den sozialen Medien sollte er grundsätzlich mit mehr Skepsis behandeln als offizielle Webseiten von anerkannten Institutionen.
Den Seiten der Bundesregierung, der örtlichen Gemeindeverwaltung oder einer großen, renommierten Zeitung kann der Journalist eher trauen als einer Neuigkeit, die eine unbekannte Quelle im Netz verbreitet.
Auf die Recherche im Internet kommen wir später noch einmal zu sprechen.
Pressemitteilungen
Behörden, Institutionen, Unternehmen und andere Stellen geben regelmäßig Pressemitteilungen heraus. Diese sollte der Journalist kontaktieren, um sich in den Verteiler aufnehmen zu lassen.
Meist bekommt er dann neue Pressemitteilungen direkt per E-Mail in sein Postfach oder zumindest eine Benachrichtigung, dass eine neue Pressemitteilung abgerufen werden kann. So bleibt er auf einem aktuellen Stand.
Ein großer Bekanntenkreis ist ebenfalls hilfreich, um Neuigkeiten, aktuelles Geschehen, Entwicklungen, aber auch Gerüchte frühzeitig mitzukriegen. Überhaupt sollte ein Journalist weder kontaktscheu noch zu schüchtern sein.
Denn es gehört zu seinem Job, mit Menschen zu kommunizieren. Nur dann gelangt er an Informationen, die er für seine Artikel verwerten kann.
Selbstbewusstsein
Für erfolgreiche Recherchearbeit braucht der Journalist neben guten Quellen auch eine gewisse Portion Selbstvertrauen, kombiniert mit einer Spur Frechheit. Er darf sich nicht vorschnell abspeisen oder gleich ganz abwimmeln lassen, sondern muss höflich, aber bestimmt am Ball bleiben und nachhaken.
Jeder Journalist, egal ob schon älter und erfahren oder noch ganz jung, hat ein Recht darauf, ernst genommen zu werden und Auskünfte zu bekommen.
Möchte sich ein Gesprächspartner partout nicht äußern, sollte der Journalist klarstellen, dass in seinem Artikel eine Aussage stehen wird wie: „XY verweigerte unserer Redaktion eine Stellungnahme.“
Es kann aber auch vorkommen, dass der Journalist in seinem Artikel feststellen muss, dass sein Gesprächspartner tatsächlich nicht zu erreichen war oder sich zunächst nicht äußern konnte, weil er sich selbst erst informieren muss.
Neugier
Das vielleicht wichtigste Merkmal eines guten Journalisten ist aber eine nie befriedigte Neugier.
Egon Erwin Kisch, einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus und bekannt geworden als „der rasende Reporter“, soll einmal gesagt haben, dass ein guter Journalist nicht einmal an einem Haus vorbeigehen könne, ohne die Namensschilder an der Tür zu lesen.
In der Natur des Journalisten sollte es also liegen, alles, was er hört, sieht oder liest, darauf abzuklopfen, ob sich eine interessante Story dahinter verbirgt.
In der Praxis hat es sich bewährt, wenn sich der Journalist einen Fahrplan erstellt:
Zunächst stellt er die naheliegenden Fragen zusammen. Was ist wichtig? Was will ich über das Thema wissen? Was ist für meine Leser interessant und relevant?
Danach ordnet er seine Fragen und Quellen. Welche Fragen haben Priorität und müssen zuerst geklärt sein? Worauf kann ich zur Not verzichten? Wann kann ich welche Quelle nutzen? Behörden und Unternehmen sind oft nur zu den üblichen Arbeitszeiten unter der Woche zu erreichen, während Archive auch später noch und das Internet immer verfügbar sind.
Zum Schluss schaut der Journalist seine Fragen noch einmal durch. Eventuell tauscht er sich außerdem mit einem Kollegen aus. Denn dieser hat vielleicht noch weitere Fragen oder Ideen zum Thema.
Auch wenn sich der Fahrplan formal anhört und im Laufe der Zeit zur Routine wird, sollten sich vor allem junge Journalisten daran halten.
Denn daraus leitet sich eine maßgebliche Weisheit des Journalisten und Journalismus-Lehrers Walther von La Roche ab: „Der Journalist recherchiert nicht, bis er alles weiß (dann dauert’s ewig), sondern so lange, bis alle naheliegenden Fragen plausibel beantwortet sind.“
Mehr Ratgeber, Tipps und Anleitungen:
- Was gehört alles zur Recherche? 1. Teil
- Der berufliche Alltag im Journalismus, 3. Teil
- Der berufliche Alltag im Journalismus, 2. Teil
- Der berufliche Alltag im Journalismus, 1. Teil
- Was macht eine Straßenzeitung aus?
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Thema: Was gehört alles zur Recherche? 2. Teil
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