Warum werden negative Schlagzeilen eher gelesen als positive?

Warum werden negative Schlagzeilen eher gelesen als positive?

In Zeitungen und im Internet sind provokante Schlagzeilen weit verbreitet. Aber warum lesen wir ausgerechnet diesen einen Artikel, während wir andere Beiträge nicht weiter beachten? Dass Dramen, Tragödien, Konflikte und Katastrophen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ist bekannt. Doch offenbar reagieren wir schon auf einzelne negative Wörter in einer Schlagzeile, selbst wenn der Beitrag eigentlich über etwas Positives berichtet.

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Warum werden negative Schlagzeilen eher gelesen als positive

Wissenschaftler haben untersucht, warum negative Schlagzeilen eher gelesen werden als positive und wie viel öfter Titel angeklickt werden, die negative Wörter enthalten.

Provokante Titel

Im englischsprachigen Raum gibt es unter Zeitungsmachern den Spruch „If it bleeds, it leads“. Sinngemäß ist damit gemeint, dass sich Geschichten über Blutvergießen, Verbrechen, Tragödien und andere Katastrophen besser verkaufen als schöne Geschichten und gute Nachrichten.

Allerdings geht es im Zeitalter des Internets schon lange nicht mehr darum, ganze Zeitungsausgaben zu verkaufen. Das Ziel ist stattdessen, mit einzelnen Artikeln so viele Klicks wie möglich zu generieren.

Um die Aufmerksamkeit der Leser zu gewinnen und ihr Interesse an einem Beitrag zu wecken, ohne in der breiten Masse an Informationen unterzugehen, müssen Journalisten in die Trickkiste greifen und ihre Geschichten mit provokanten Schlagzeilen überschreiben.

Für sie ist deshalb besonders wichtig, zu wissen, welche Formulierungen gut funktionieren und welche nicht ziehen.

Verschiedene Titel für einen Beitrag

„Upworthy.com“ ist ein US-amerikanisches Nachrichtenportal, das sich auf positive Geschichten fokussiert. Um die Beiträge möglichst gut zu verkaufen, hat das Portal in den vergangenen Jahren verschiedenste Ansätze mit seinen Schlagzeilen und Überschriften ausprobiert.

Teilweise veröffentlichte das Portal denselben Artikel mit vier unterschiedlichen Titeln, um auf diese Weise herauszufinden, welche Version die meisten Klicks einbrachte.

Ein Team aus Wissenschaftlern um Claire Robertson von der New York University hat sich die Experimentierfreude des Nachrichtenportals zunutze gemacht und als Datenbasis für eine groß angelegte Studie verwendet. Dabei wertete das Forschungsteam über 105.000 Schlagzeilen des Nachrichtenportals aus.

Diese Schlagzeilen und Überschriften hatten dem Portal zusammen mehr als 370 Millionen Klicks eingebracht.

Das Ziel der Studie war, zu erforschen, wie sich emotionale Sprache, zum Beispiel in Form von positiven und negativen Schlagwörtern, auf die Anzahl der Klicks auswirkt.

Mehr Klicks bei negativen Begriffen

Die Studie ergab, dass bei einer durchschnittlich langen Schlagzeile jedes zusätzliche Wort, das eine negative Bedeutung hat, die Klickrate um 2,3 Prozent erhöht. Dabei muss es sich gar nicht um besonders spektakuläre Wörter handeln. Schon vergleichsweise harmlose Begriffe wie falsch, schlecht oder furchtbar reichen aus, um den Effekt zu erzielen.

Im direkten Vergleich erhielt zum Beispiel die Überschrift „Wenn Ihnen die Zahlen 4 und 20 etwas bedeuten, werden Sie diesen Scheiß hören wollen“ eine wesentlich höhere Anzahl an Klicks als der Titel „Er erklärt, warum die Frage ‚Was rauchst du?‘ eigentlich ziemlich wichtig ist“.

Hinter beiden Schlagzeilen verbarg sich exakt derselbe Artikel. Offenbar veranlasste aber schon der negative Schlüsselbegriff Scheiß den Großteil der Leser dazu, der ersten Version den Vorzug zu geben.

Das Forschungsteam fand außerdem heraus, dass diese Tendenz auch andersherum besteht. Positive Schlagworte haben demnach weniger Klicks zur Folge. Bereits ein einziges positives Wort in der Überschrift bewirkt, dass die Anzahl der Klicks um ein Prozent abnimmt.

Zu den positiven Wörtern gehören unter anderem ziemlich, schön oder auch Liebe. Emotionale Schlagzeilen, die Glück und Freude vermitteln, werden von Lesern ebenfalls seltener angeklickt. Im Gegensatz dazu kommt Traurigkeit wesentlich besser an. Interessanterweise führten Wut und Frust zu keinen eindeutigen Ergebnissen.

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Evolutionäre Ursachen

Aber warum ist das so? Wieso sprechen uns negative Schlagzeilen eher an als positive? Die Wissenschaftler erklären diese Neigung mit den Grundlagen der menschlichen Wahrnehmung.

Sich eher mit negativen Nachrichten zu befassen und generell in vielen Bereichen stärker auf negative Reize zu achten, liegt in der Natur des Menschen. Diese Anlage entsteht bereits im Kindesalter und bleibt bis ins hohe Erwachsenenalter hinein erhalten.

Gehen wir von der Evolution aus, ist es auch durchaus sinnvoll, sich eher auf Negatives zu konzentrieren. Wenn in der Steinzeit unser Urahn eine schöne, üppig blühende Pflanze bewundert hat, dadurch aber das im Gebüsch lauernde Wildtier nicht bemerkte, konnte das tödliche Folgen für ihn haben.

Laufen wir heute freudig erregt auf einen Bekannten auf der anderen Straßenseite zu, ohne das schnell herannahende Auto wahrzunehmen, kann das übel für uns ausgehen.

Negative Reize sind stärker mit Risiken und Gefahren bis hin zu Leben und Tod verknüpft.

Deshalb messen wir ihnen mehr Gewicht bei als positiven Reizen. Diese Tendenz kommt im Alltag zum Tragen und zeigt sich eben auch darin, wie wir Nachrichten und Artikel auswählen.

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Hier schreiben Wolfgang Stocker, freier Journalist, Sabine Lankmann, - Inhaberin Medienagentur, Heiko Rieder, 44 Jahre - Journalist und Christian Gülcan - Inhaber Artdefects Media Verlag (2009 Presseausweis/ DJV) und Ferya Gülcan - Inhaberin Onlinemedien-Agentur. Wir möchten Wissenswertes über die Pressearbeit und Journalismus vermitteln, sowie einen Überblick über die Medienlandschaft in Deutschland geben.

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