So kann KI im Journalismus helfen
Allheilmittel und zeitgemäßer Problemlöser oder nur technische Bedrohung für viele Arbeitsplätze? Künstliche Intelligenz (KI) polarisiert. Im beruflichen Umfeld und im privaten Alltag stößt die Technologie auf begeisterte Fans genauso wie auf harsche Kritiker. Auch im Journalismus ist die KI längst angekommen. In diesem Beitrag schauen wir uns einmal näher an, wie KI-Werkzeuge von der Themenfindung bis zum druckfertigen Artikel helfen können, aber auch, wo die Technologie an Grenzen stößt.
Inhalt
Unsere Erwartungshaltung an die KI
Weder bei der täglichen Berichterstattung noch bei unterhaltsamen Beitragsreihen kann uns die KI das Denken abnehmen. Sprachmodelle wie ChatGPT scheinen zwar auf den ersten Blick geniale Allrounder zu sein.
Denn egal, ob wir nach Ideen fragen, Informationen suchen oder einen ausformulierten Text anfordern, hat die KI immer innerhalb kürzester Zeit eine Antwort parat. Doch bei genauerem Hinsehen ist eben wie so oft nicht alles Gold, was glänzt.
Als erste Frage müssen wir uns stellen, was genau wir von der KI eigentlich wollen. Möchten wir umfangreichere Informationen, weitergehende Recherchen, griffigere Überschriften, bessere Formulierungen oder eine gesteigerte Produktivität?
Auf dem gesamten Weg von der Themenfindung bis zum fertigen Zeitungsartikel oder Online-Beitrag können wir auf die verschiedensten KI-Werkzeuge zurückgreifen, um uns Unterstützung zu holen.
Es gibt KI-Anwendungen, die Daten für uns strukturieren, und welche, die einzelne Stichwörter in einen ganzen Text verwandeln. Einige KI-Anwendungen generieren Fotos und Grafiken nach unseren Wünschen, andere filtern die wichtigsten Szenen aus Videos heraus und fügen sie neu zusammen.
Wie hochwertig die Ergebnisse sind, die die KI liefert, steht dann aber noch einmal auf einem anderen Blatt. Auch rechtliche und ethische Fragen spielen eine Rolle.
Wie wirkt es sich zum Beispiel auf das Vertrauen der Leser aus, wenn Beiträge von einer Maschine generiert und nicht mehr von echten Menschen recherchiert und geschrieben sind? Wie glaubwürdig sind Inhalte, die eine Technologie aus vorhandenen Daten zusammenstückelt? Und wie groß wird die Bereitschaft der Leser sein, für Zeitungen und Online-Magazine mit KI-generierten Beiträgen Geld auszugeben?
Transparenz darüber, wo und wie KI zum Einsatz kommt, ist im Journalismus unverzichtbar. Natürlich spricht nichts dagegen, zu experimentieren und Hilfsmittel zu nutzen. Nur darf die KI eben nicht zum Selbstzweck werden.
Keine wirkliche Zeitersparnis
Rein praktisch gesehen bietet uns die KI eine Palette an verschiedenen neuen Instrumenten und Hilfsmitteln. Sie alle müssen wir aber erst einmal verstehen, den Umgang mit ihnen lernen und uns die richtige Bedienung aneignen.
Ein Artikel, der so, wie ihn die KI ausspuckt, direkt veröffentlicht werden kann? So schnell und einfach sind und werden Journalisten – zum Glück – nicht ersetzbar!
Überhaupt führt die KI keineswegs dazu, dass es am Ende wirklich schneller geht. Einen Text, ein Bild oder auch ein Video als einzelnes Ergebnis hat die KI zwar schnell generiert.
Bis das Ergebnis aber dem journalistischen Anspruch genügt und die notwendigen Kriterien erfüllt, haben wir meistens einen langen Chat mit vielen Prompts hinter uns. Prompts sind die Anweisungen, die wir der KI geben, um sie zu steuern und zum gewünschten Ergebnis zu lenken.
Nur lässt sich die KI längst nicht immer so lotsen, wie wir uns das vorstellen. Zumal die KI dazu neigt, dieselbe Frage jedes Mal anders zu beantworten.
Diese Eigenschaft kann aber bei der Themenfindung sehr nützlich sein. Gibt es möglicherweise Argumente, Aspekte oder Faktoren, die wir gar nicht auf dem Schirm haben?
So wie wir selbst unsere individuelle Art der Wahrnehmung haben, hat auch die KI einen sogenannten Bias. Je nachdem, mit welchen Daten sie trainiert wurde, sind ihre Antworten mit unterschiedlichen Nuancen verzerrt.
So ist denkbar, dass eine KI zum Beispiel einem Geschlecht grundsätzlich mehr Kompetenzen zuspricht oder altersbedingte Klischees verstärkt.
Andersherum können wir die KI mit cleveren Fragen und Anweisungen aber auch nutzen, um unsere eigenen Annahmen, Vorurteile und Wissenslücken zu beleuchten.
Überprüfung ist Pflicht
Ein echtes Brainstorming mit Kollegen, das in vielen Redaktionen unbedingt dazugehört, kann keine KI ersetzen. Genauso können wir uns nicht auf gemeinsame Absprachen berufen, wenn wir mit KI gearbeitet haben.
Ein weiterer Minuspunkt ist, dass die KI Daten nicht nur ordnen und strukturieren, sondern selbst ganz eigene Informationen erfinden kann. Diese Informationen muss dann ein echter Mensch ordnen und strukturieren.
Dabei spielt es keine Rolle, ob wir der KI eine inhaltliche Frage stellen, sie um Fakten bitten oder sie nach einem Formulierungstipp fragen. Jedes Ergebnis muss überprüft werden.
Denn mitunter setzt die KI verschiedene Daten zu einer Antwort zusammen, die für sich zwar stimmen, zusammengenommen aber schlichtweg falsch sind.
Dann werden zum Beispiel Einrichtungen und Standorte so vermischt, dass sich die jeweilige Institution plötzlich in einer anderen Stadt befindet.
Höflich bleibt die KI zwar immer und auf Kritik reagiert sie verständnisvoll und ohne auch nur einen Hauch eingeschnappt zu sein.
Als Inspirationsquelle profitiert der Journalismus zweifelsohne von der KI als zusätzliches Werkzeug bei der Recherche. Doch die Grenzen sind dort erreicht, wo es darum geht, nach journalistischen Standards zu überprüfen und mit menschlicher Kreativität zu schreiben.
Mehr Ratgeber, Tipps und Anleitungen:
- Was gehört alles zur Recherche? 3. Teil
- Was gehört alles zur Recherche? 2. Teil
- Was gehört alles zur Recherche? 1. Teil
- Der berufliche Alltag im Journalismus, 3. Teil
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