Praxistipps für Zeitungsartikel über Gerichtsprozesse

Praxistipps für Zeitungsartikel über Gerichtsprozesse

Viele Zeitungen brauchen spektakuläre Schlagzeilen und sensationelle Themen, um ihre Auflage und damit letztlich auch ihr Überleben zu sichern. Berichte über kleinere, für die Öffentlichkeit nicht unbedingt spannende Gerichtsprozesse, die vor dem beschaulichen Gericht vor Ort geführt werden, haben dann oft keinen Platz.

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Zudem können es sich viele Redaktionen schlichtweg nicht mehr leisten, einen Journalisten abzustellen, der sich ausschließlich um Gerichtsprozesse kümmert.

Doch wenn dann ein großer, spektakulärer Fall vor Gericht verhandelt wird, den die Öffentlichkeit mit großem Interesse verfolgt, fehlt so manchem Journalisten das Wissen um die journalistische Begleitung eines Gerichtsverfahrens.

Damit die erste eigene Reportage gelingt, hier daher fünf Praxistipps für Zeitungsartikel über Gerichtsprozesse:

Tipp 1: Gut vorbereitet in die Verhandlung gehen.

Die wenigsten Journalisten dürften eine Ausbildung im Fach Jura haben. Deshalb kann es mitunter schwierig werden, die gesamten Zusammenhänge nachzuvollziehen und die Anklageschrift in allen Details zu verstehen. Ein gelungener Zeitungsartikel setzt aber voraus, dass der Journalist nicht nur über die aktuellen Geschehnisse und Abläufe berichtet.

Stattdessen braucht er das Wissen, wie es überhaupt zu den jeweiligen Schritten kam und wie sich die daraus resultierenden Entscheidungen begründen. Ratsam ist deshalb, vorab einen Rechtsanwalt zu kontaktieren.

Der Rechtsanwalt, der vor Gericht auftritt, wird zwar meist nicht bereit sein, im Vorfeld mit der Presse zu sprechen. Zudem wird er üblicherweise nur allgemeine Fragen beantworten, aber nicht direkt über seinen Mandanten oder über Einzelheiten zum Verfahren sprechen dürfen.

Um sich zu informieren und sich das erforderliche Hintergrundwissen anzueignen, reicht es allerdings auch völlig aus, wenn der Journalist mit einem Anwalt spricht, der nichts mit dem laufenden Verfahren zu tun hat.

Ein Anwalt kann über die rechtlichen Grundlagen informieren, Fachbegriffe erläutern, Möglichkeiten durchspielen und eventuell auch etwas zur Strategie der Beteiligten sagen.

Tipp 2: Rechtzeitig vor Ort sein.

Grundsätzlich sollte der Journalist besser zu früh bei Gericht sein als zu spät. Zum einen will er ja nichts verpassen und die Verhandlung von der ersten Minute an verfolgen. Zum anderen kann er so vielleicht schon vor Verhandlungsbeginn wichtige und interessante Infos in Erfahrung bringen.

Als Faustregel gilt, dass der Journalist mindestens eine Stunde vor dem Gerichtstermin da sein sollte. Dadurch bleibt genug Zeit, um einen Parkplatz zu suchen, die Sicherheitskontrolle zu passieren und sich einen guten Platz im Gerichtssaal zu sichern.

Tipp 3: Genug Zeit einplanen.

Wie lange ein Gerichtsverfahren dauert, lässt sich im Vorfeld nur bedingt abschätzen. So kann es sein, dass sich ein Zeuge verspätet, die Plädoyers länger dauern als gedacht, die Verhandlung vertagt werden muss oder der Richter entscheidet, dass weitere Zeugen einbestellt und gehört werden müssen.

Andersherum kann es sein, dass das Urteil sehr viel schneller fällt als erwartet, etwa wenn der Fall eine komplett neue Wendung nimmt und die eigentliche Verhandlung ein abruptes Ende findet, während der Sachverhalt in einem Anschlussverfahren erörtert werden wird.

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Für den Journalisten bedeutet das, dass er seinen Zeitplan sehr flexibel gestalten sollte. Die zuverlässigsten Informationen über das Geschehen erhält er natürlich dann, wenn er selbst anwesend ist. Sollte dies nicht möglich sein, kann er Kollegen zu den Ereignissen befragen.

In diesem Fall ist aber ratsam, mindestens zwei Personen um Infos zu bitten. Auf diese Weise lässt sich verhindern, dass versehentlich falsche Angaben oder Fehlinterpretationen übernommen werden.

Tipp 4: Einen Ort zum Arbeiten planen.

Wenn ein Prozesstag beendet oder das gesamte Gerichtsverfahren abgeschlossen ist, muss der Bericht möglichst schnell geschrieben werden. Schließlich möchten die Leser auf dem Laufenden bleiben und die Infos nicht erst Tage oder gar Wochen später erfahren.

Zudem ist es natürlich auch für den Journalisten einfacher, einen mitreißenden Artikel zu schreiben, wenn seine Erinnerungen und Eindrücke noch ganz frisch sind. Zur Grundausstattung des Journalisten im Gerichtssaal gehören deshalb der Laptop, das Handy und vor allem Papier und Stift. Nicht in jedem Gerichtssaal sind technische Geräte erlaubt, zudem wäre es sehr ärgerlich, wenn der Akku mittendrin schlapp macht und so weitere Notizen verhindert.

Mit dem guten alten Schreibblock samt Stift ist der Journalist daher auf der sicheren Seite. In einigen Gerichten gibt es Presseräume, in denen Journalisten nach der Verhandlung arbeiten können. Gibt es solche Räume nicht, sollte sich der Journalist im Vorfeld einen Plan machen, wo er seine Aufzeichnungen in einen Zeitungsartikel umwandeln kann.

Tipp 5: Nachvollziehbar schreiben.

Die meisten Leser interessieren sich nicht für jedes noch so kleine Detail eines Gerichtsverfahrens. Verfahren vor Gericht haben feste Abläufe, die praktisch immer gleich sind. Zudem dürfte kein Leser Interesse an einem Artikel haben, der langatmig berichtet, ohne auf den Punkt zu kommen, oder lauter Rechtsbegriffe aneinanderreiht, mit denen der Laie kaum etwas anfangen kann.

Auf der anderen Seite macht es wenig Sinn, wenn der Journalist nur auf die Eröffnungs- und die Schlussreden eingeht. Sie fassen zwar alle grundlegenden Inhalte und Erkenntnisse zusammen. Ohne Hintergrundinfos wird der Leser aber oft nur bedingt nachvollziehen können, wie die Schlussfolgerungen und Entscheidungen zustande gekommen sind.

Der Journalist sollte also darauf achten, dass sein Bericht nicht zu sehr ins Detail geht und zu sehr in den Fachjargon abdriftet, aber gleichzeitig so ausführlich ist, dass der Leser nachvollziehen kann, was passiert ist. Hierbei wiederum ist es hilfreich, wenn der Journalist seine Aufmerksamkeit vor allem den Aussagen, Zitaten und Reaktionen widmet, die die Frage nach dem Warum beantworten, also beispielsweise warum der Angeklagte die Fassung verloren, warum ein Zeuge die Aussage verweigert, warum der Richter die Verhandlung vertagt oder warum der Staatsanwalt ein so hohes Strafmaß angesetzt hat.

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Hier schreiben Wolfgang Stocker, freier Journalist, Sabine Lankmann, - Inhaberin Medienagentur, Heiko Rieder, 44 Jahre - Journalist und Christian Gülcan - Inhaber Artdefects Media Verlag (2009 Presseausweis/ DJV) und Ferya Gülcan - Inhaberin Onlinemedien-Agentur. Wir möchten Wissenswertes über die Pressearbeit und Journalismus vermitteln, sowie einen Überblick über die Medienlandschaft in Deutschland geben.

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