Konstruktiver Journalismus: Was ist das?
Die journalistische Arbeit ist darauf ausgerichtet, objektiv Informationen zu vermitteln. Journalisten berichten zeitnah über das aktuelle Geschehen, recherchieren Hintergründe und versuchen, Fehlentwicklungen aufzuzeigen und Missstände aufzudecken.
Das traditionelle Schema, sich mit den Informationen auf das zu beschränken, was ist, ist einerseits richtig.
Denn der Leser soll die Informationen bekommen, die er braucht, damit er sich seine eigene Meinung bilden kann. Andererseits ist dieses altbewährte Schema für manchen Leser auf Dauer nicht genug. Und an dieser Stelle kommt der konstruktive Journalismus ins Spiel. Er sagt nicht nur, was ist, sondern zeigt auch auf, wie es weitergehen kann.
Was es genau mit dieser Form der journalistischen Berichterstattung auf sich hat, erklären wir in diesem Beitrag:
Konstruktiver Journalismus: Was ist das?
Beim konstruktiven Journalismus handelt es sich um eine Form der Berichterstattung, die zwar wie der klassische Nachrichtenjournalismus über aktuelle Geschehnisse, Entwicklungen, Krisen und Missstände berichtet. Doch der konstruktive Journalismus belässt es nicht dabei, den Leser nur über das Hier und Jetzt zu informieren.
Stattdessen richtet er seinen Blick nach vorne und versucht, mögliche Lösungen und sinnvolle Ansätze aufzuzeigen. Der konstruktive Journalismus geht also einen Schritt weiter als der Nachrichtenjournalismus. Er verfolgt das Ziel, konstruktiv (und damit im positiven Sinne weiterführend oder weiterentwickelnd) zu berichten.
Dabei darf der konstruktive Journalismus aber nicht mit dem positiven Journalismus verwechselt werden. Der positive Journalismus ist eine Form der Berichterstattung, die sich tendenziell mit guten Nachrichten auseinandersetzt. Außerdem ist der Sprachstil beim positiven Journalismus von positiven Formulierungen geprägt.
Der konstruktive Journalismus hingegen beschäftigt sich mit guten und schlechten Nachrichten, erfreulichen Entwicklungen und Krisen, Erfolgen und Missständen gleichermaßen. Er greift Probleme auf und stellt Zusammenhänge her. Und erst wenn die Informationsbasis vorhanden ist, zeigt der konstruktive Journalismus zusätzlich dazu mögliche Lösungen und Ansätze auf.
Außerdem bleibt der konstruktive Journalismus, wie der traditionelle Nachrichtenjournalismus, neutral. Er gibt dem Leser keine Meinung vor und zwingt ihm keine Ansichten auf. Die konstruktive Berichterstattung präsentiert zwar verschiedene Ansichten und Lösungsvorschläge. Doch diese Informationen sollen zur Grundlage dafür werden, dass sich der Leser seine eigene Meinung bildet und selbst entscheidet, welche Lösung wohl der beste Ansatz ist.
Inhalt
Wie wird konstruktiver Journalismus umgesetzt?
Vor allem was die Recherche angeht, ist der konstruktive Journalismus vergleichsweise aufwendig. Die Thematik sollte gut analysiert, in einzelne Aspekte aufgeteilt und aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Damit ein ganzheitliches Bild gezeichnet werden kann, müssen diverse Fragen beantwortet werden. Beispiele dafür sind:
- Wer ist in welcher Form betroffen?
- Welche Lösungsansätze haben die Betroffenen?
- Was schlägt die Politik, die Verwaltung, die Wirtschaft oder die Wissenschaft als mögliche Lösungen vor?
- Was spricht für und was gegen die jeweiligen Lösungsansätze?
- Gab es an anderer Stelle oder in einem anderen Land eine ähnliche Problematik und wie wurde sie dort gelöst?
- Lässt sich dieser Lösungsansatz auf die geschilderte Thematik übertragen?
- Gibt es Informationen zu Langzeitentwicklungen?
Auch der konstruktive Journalismus gibt Antworten auf die klassischen W-Fragen (Wer?, Wann?, Was?, Wo?, Wie? und Warum?). Er ergänzt diese Fragen aber um die Frage „Was jetzt?“ oder „Wie weiter?“. Besonders interessant ist natürlich, wenn nicht nur allgemein bekannte, sondern neue oder unerwartete Lösungsansätze aufgezeigt werden.
Warum ist konstruktiver Journalismus ein guter und wichtiger Ansatz?
Journalisten, die in unseren Breitengraden ausgebildet wurden und arbeiten, orientieren sich bei der Themenwahl meist an den sogenannten Nachrichtenfaktoren. Das Ziel ist, Aufmerksamkeit zu erregen und das Interesse des Lesers zu wecken. In der Praxis klappt das mit negativen Nachrichtenfaktoren am besten. Die Folge davon ist, dass negative Faktoren wie Gewalt, Konflikte, Missstände und Misserfolge die Nachrichten dominieren. Doch gerade weil die Medien viel über negative Ereignisse berichten, nehmen viele Menschen die aktuellen Entwicklungen und die Situation als solches deutlich negativer wahr, als sie tatsächlich ist.
Es gibt eine Reihe von Studien, die belegen, dass ein zu negatives Bild in den Medien Stress, Ängste, Hoffnungslosigkeit und Zynismus bei den Lesern hervorrufen kann. Eine andere Folge kann sein, dass sich die Leser früher oder später von den Medien abwenden, weil sie einfach nicht schon wieder nur schlechte Nachrichten hören wollen. Besonders ausgeprägt ist diese Tendenz bei jungen Lesern unter 30 Jahren. Gerade die jungen Zielgruppen empfinden die klassischen Medien oft als zu krisenfixiert und wenden sich zunehmend davon ab.
Insofern setzt der konstruktive Journalismus an zwei Punkten an. Zum einen geht es darum, das negative Bild gerade zu rücken. Natürlich kann und muss auch der konstruktive Journalismus über negative Ereignisse berichten. Aber er lässt den Leser eben nicht mit diesen Informationen alleine, sondern schaut nach vorne und bietet Lösungen an. Zum anderen bemüht sich der konstruktive Journalismus darum, auch die jungen Zielgruppen besser zu erreichen und wieder für die klassischen Medien zu gewinnen.
Was sind die Kritikpunkte am konstruktiven Journalismus?
Der konstruktive Journalismus ist keine neue Erfindung. Letztlich gibt es diese Form der Berichterstattung genauso lange, wie sich Medien eine umfassende, lösungsorientierte, zukunftsgerichtete und qualitativ hochwertige Berichterstattung auf die Fahnen geschrieben haben. Immer mehr Medien sind in den vergangenen zwei, drei Jahren aber dazu übergegangen, konstruktive Beiträge ausdrücklich als solche zu bewerben. Teils wurden sogar eigene Rubriken für die Beiträge erschaffen. Ein Kritikpunkt lautet nun, dass diese Vorgehensweise überflüssig ist. Denn guter Journalismus sollte sich immer darum bemühen, umfassend zu berichten und Lösungen aufzuzeigen. Einen gesonderten Namen braucht er dafür nicht.
Ein anderer Kritikpunkt ist, dass konstruktive Lösungen an einigen Stellen schlichtweg unangemessen sind. Es gibt Nachrichten, denen sich nichts Positives abgewinnen lässt. Wird beispielsweise über einen Amoklauf berichtet, wirkt es seltsam, wenn der Beitrag auf Biegen und Brechen versucht, dem Leser irgendeinen positiven Aspekt an die Hand zu geben.
Der mit Abstand größte Kritikpunkt ist aber, dass der konstruktive Journalismus dazu neigt, für die Betroffenen oder Institutionen zu werben, die Lösungen für die geschilderte Thematik haben. Inwieweit das tatsächlich zutrifft, muss der Leser für sich selbst entscheiden. Der Journalist jedenfalls sollte sensibel genug sein, um alle Aspekte aufzuzeigen und nicht nur eine Lösung als den ultimativen Ansatz zu präsentieren.
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