Infos zur Neuformulierung der Richtlinie bei der Berichterstattung über Straftaten
Der Deutsche Presserat hat eine Neuformulierung der Richtlinie zur Berichterstattung über Straftaten beschlossen. Dabei bezieht sich die Änderung in erster Linie darauf, ob und wann die Herkunft von Tätern und Tatverdächtigen genannt werden darf.
Der Presserat als Selbstkontrollorgan hat den sogenannten Pressekodex formuliert. Der Pressekodex umfasst 16 Ziffern, die sich als Maßstäbe für die Berichterstattung und das journalistische Verhalten verstehen. Damit bildet der Pressekodex die publizistischen Grundsätze ab, zu denen unter anderem die Achtung der Menschenwürde, Sorgfalt oder der Schutz der Persönlichkeit gehören.
Die Ziffern werden durch Richtlinien ergänzt, die praktische Hilfen für die redaktionelle Praxis bereitstellen sollen. Mit Wirkung zum 22. März 2017 wurde nun die Richtlinie 12.1, die sich mit der Berichterstattung über Straftaten beschäftigt, neu formuliert.
Hier sind die Infos dazu!
Inhalt
Die alte und die neue Fassung der Richtlinie 12.1
Die Richtlinie 12.1 wurde seinerzeit in den Pressekodex aufgenommen, um Vorurteilen gegenüber Minderheiten entgegenzuwirken. In der bisherigen Fassung der Richtlinie hieß es dazu, dass die Herkunft oder die Religion von Straftätern und Tatverdächtigen nur dann genannt werden sollte, wenn ein begründbarer Sachbezug zur Straftat bestand.
Maßgeblich war also, dass ein Sachbezug zur Straftat und zur Geschichte gegeben war. Die Zugehörigkeit des Täters zu einer ethnischen, religiösen oder anderen Minderheit sollte nur dann Erwähnung finden, wenn dadurch die Tat selbst, die ihr zugrundeliegenden Motive oder ihre Folgen verständlicher würden. Bei einem Bericht über einen sogenannten Ehrenmord könnte dies beispielsweise der Fall sein.
Die neu formulierte Richtlinie hingegen lautet: “In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt.
Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
Das Verbot, jemanden wegen seiner ethnischen, religiösen oder sozialen Herkunft oder wegen seiner Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe zu diskriminieren, steht somit nach wie vor klar im Vordergrund.
Werden Angaben zur Herkunft des Täters gemacht, dürfen sie nicht dazu führen, dass allgemeine Vorurteile geschürt werden. Zudem ist jeder Journalist verpflichtet, sorgfältig zu prüfen und gewissenhaft abzuwägen, ob die Herkunft des Täters für die Geschichte eine Rolle spielt oder ob nicht. Anders als bislang braucht es aber keinen Sachbezug mehr. Stattdessen reicht ein begründetes öffentliches Interesse aus.
Zustimmung und Kritik zur Neuformulierung
Spätestens mit der Berichterstattung über die Übergriffe in der Kölner Silvesternacht war Kritik an der bisherigen Richtlinie laut geworden. Die Presse hatte beklagt, dass es die Richtlinie schwer machen würde, wahrheitsgetreu über die Kriminalität von ausländischen Tätern zu berichten.
Die Richtlinie sei zu vage formuliert, so dass es für Journalisten problematisch wäre, einzuschätzen, ob die Nennung der Herkunft des Täters gerechtfertigt sei oder ob nicht. Der Presserat hatte daraufhin zunächst überlegt, einen Leitfaden für Redaktionen auszuarbeiten. Aufgrund der Komplexität des Themas entschied er sich dann aber dafür, die Richtlinie als solches neu zu formulieren.
Die Neuformulierung findet weitgehend Zuspruch. Begrüßt wird, dass durch den Bezug auf das öffentliche Interesse besser zu verstehen sei, worum es bei der Diskriminierungsrichtlinie gehe.
So lässt die Neuformulierung keine Zweifel daran, dass eine diskriminierende Berichterstattung nicht erwünscht ist. Gleichzeitig könnten Journalisten nach Ansicht der Befürworter besser beurteilen, ob es notwendig und gerechtfertigt ist, die Herkunft des Täters zu nennen. Denn die frühere Formulierung, die einen begründbaren Sachbezug forderte, nutzte einen juristischen Begriff, der für Nichtjuristen schwer zu greifen war.
Mit dem Begriff des öffentlichen Interesses hingegen wären Journalisten vertraut. Um dem Anspruch des Presserats, Redaktionen zeitgemäße Praxishilfen an die Hand zu geben, gerecht zu werden, müssten nun aber Leitsätze für die Anwendung der Richtlinie folgen. Eine Sammlung solcher Leitsätze stellte der Presserat in den nächsten Monaten in Aussicht.
Kritiker sehen in der Neuformulierung der Richtlinie keine Lösung für das Problem. Ganz im Gegenteil würde es jetzt noch komplizierter werden. Zudem würde die Neuformulierung die Diskriminierungsrichtlinie aufweichen. Denn wer definiert, was ein begründetes öffentliches Interesse ist, und wer entscheidet darüber, wann ein solches vorliegt?
Der Presserat selbst betont, dass ein öffentliches Interesse nicht mit dem Interesse der Leser, die Herkunft der Täter zu erfahren, gleichzusetzen sei. Vielmehr stehe ein öffentliches Interesse immer in Zusammenhang mit einem Beitrag zum Gemeinwohl. Doch nach Ansicht der Kritiker ist hier eine Grenze nur schwer zu ziehen. Letztlich sei zu befürchten, dass die Herkunft von Straftätern künftig noch viel mehr zum Thema werde wie ohnehin schon. Damit spiele die Neuformulierung all jenen in die Karten, die ihre Vorurteile gegenüber Minderheiten durch die Berichte über Straftaten bestätigt sehen wollen.
Ein anderer Ansatz
Interessant in diesem Zusammenhang ist der Ansatz der Sächsischen Zeitung. Die in Dresden erscheinende Zeitung teilt das Ziel der Richtlinie, möchte dieses Ziel aber auf eine andere Art erreichen. Dazu nennt die Zeitung seit Juli 2016 in ihren Berichten immer die Herkunft von Straftätern und Tatverdächtigen, unabhängig davon, ob es sich um Deutsche oder um Ausländer handelt.
Als Begründung führt die Zeitung eine repräsentative Befragung der Leser an. So habe die Umfrage gezeigt, dass viele Leser automatisch davon ausgingen, bei den Tätern handele es sich um Flüchtlinge oder Asylbewerber, wenn die Herkunft nicht angegeben sei.
Ohne Nennung der Herkunft würden die Leser die Zahl krimineller Ausländer somit viel höher einschätzen als sie tatsächlich ist. Im Frühjahr 2018 sei eine erneute Umfrage geplant. Und je nachdem, was bei dieser Befragung herauskomme, würde die Zeitung entscheiden, ob sie bei ihrer Linie bleibt.
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